21.12.2020 | Ines Raaz
Modellierung von variabel verzinslichen Produkten im Wandel
Welche Kritikpunkte sieht die Bankenaufsicht am Modell der gleitenden Durchschnitte?
Für viele Kreditinstitute ist die Fristentransformation im Zinsbuch eine wichtige Quelle, um Zusatzerträge aus dem Strukturbeitrag zu erzielen. In diesem Zusammenhang kommt insbesondere Sichteinlagen ohne definierte Zins- und Kapitalbindung und anderen variabel verzinslichen Produkten durch die Abweichung ihrer modellierten Fristigkeiten von den gesetzlichen Fälligkeiten eine hohe Bedeutung zu, einhergehend mit einem erheblichen Modellrisiko. Zur Modellierung solcher Produkte im Zinsbuch hat sich bei einer Mehrzahl der deutschen Kreditinstitute das Modell der gleitenden Durchschnitte etabliert. Die Institute haben sicherzustellen, dass die Modellierung auf geeigneten Annahmen beruht (vgl. auch BTR 2.3 Tz. 7 der MaRisk).
Mit der anhaltenden Niedrigzinsphase wächst jedoch die Kritik an diesem bewährten Modell, auch seitens der Bankenaufsicht. Dabei rückt die institutsindividuelle Ausgestaltung des Modells in den Fokus. So sieht die Aufsicht Schwächen in der Herleitung der Bodensatzhöhe, der es oftmals an ausreichenden historischen Analysen hinsichtlich des Kundenverhaltens fehle. Entsprechend wichtig ist, dass der kurzfristig angelegte Geldmarktpuffer, in dem die Volumina über den Bodensatz hinaus disponiert werden, ausreichend dimensioniert ist.
Ein wesentlicher Kritikpunkt der BaFin und der Bundesbank betrifft die Festlegung der Mischungsverhältnisse in den Instituten, die oftmals Modellergebnisse nicht korrekt umsetzen und somit willkürlich erscheinen. In der Praxis seien Verlängerungen der Mischungsverhältnisse mit Beimischungen von 15-jährigen Laufzeiten für täglich fällige Kundeneinlagen zu beobachten. Diese Verlängerungen sollten in den Instituten die zunehmende Margeneinengung verringern und Negativmargen infolge der 0%-Zinsuntergrenze vermeiden.
Die Aufsicht sieht es kritisch, dass solche verlängerten Mischungsverhältnisse zwar eine Margenkonstanz in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase gewährleisteten, aber das Zinsanpassungs- und das Kundenverhalten sowie das Zinsänderungsrisiko nur unzureichend wiedergeben. Eine Verlängerung der Mischungsverhältnisse käme der Annahme einer geringeren Zinselastizität im Kundenverhalten gleich, die aufgrund des verstärkten Wettbewerbs und einer erhöhten Konditionentransparenz zum aktuellen Zeitpunkt nicht zu beobachten sei.
Die Aufsicht betont, dass eine verbesserte Margenkonstanz keine ausreichende Rechtfertigung für eine Verlängerung der Mischungsverhältnisse und damit einhergehend für die Modellierung eines trägeren Kundenverhaltens sei. Sie lehnt generell Stützstellen von mehr als zehn Jahren für die Modellierung von Einlagen mit unbestimmter Zins- und Kapitalbindung ab, weil diese ein hohes Modellrisiko für ein Unterschätzen des Zinsänderungsrisikos bergen würden und deshalb als nicht ausreichend konservativ einzuschätzen seien.