25.09.2019 | Alexander Nölle
BaFin Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken
Die BaFin hat nunmehr ihr seit letztem Jahr bereits angekündigtes Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlicht. Darin stellt sie klar, dass Institute bei der Bewertung ihrer Risiken explizit auch Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigen müssen. Im Blog-Beitrag bekommen Sie einen ausführlichen Überblick über das Merkblatt.
Die BaFin hat nunmehr ihr seit letztem Jahr bereits angekündigtes Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken zur Konsultation veröffentlicht. Darin stellt sie klar, dass Institute bei der Bewertung ihrer Risiken explizit auch Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigen müssen. Hierzu sollen alle bereits bekannten Elemente des Risikomanagements, also sowohl die bestehende Geschäfts- und Risikostrategie, als auch alle Elemente zur Bemessung der Risikotragfähigkeit. Auch die Kreditprozesse und Auslagerungssachverhalte sollen einer Überprüfung unterzogen werden. Gerne unterstützen wir Sie bei einer strukturierten Analyse zum Handlungsbedarf und erarbeiten gemeinsam mit Ihnen pragmatische Lösungsansätze, um mögliche Nachhaltigkeitsrisiken auch in Ihrem Hause angemessen zu berücksichtigen.
Die EU Kommission hatte bereits im März 2018 mit einem Aktionsplan eine Strategie für ein Finanzsystem vorgelegt, das die EU-Agenda für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung unterstützen sollte. Im „Network for Greening the Financial System“ schlossen sich zudem Ende 2017 Zentralbanken und Aufsichtsbehörden zusammen, um die unumgängliche Transformation in eine CO2-arme Wirtschaft mitzugestalten.
Im Mai 2019 formulierte dann Raimund Röseler, Exekutivdirektors Bankenaufsicht, anlässlich der Konferenz „Nachhaltige Finanzwirtschaft“ in Berlin:
„Besonders wichtig aus Sicht der BaFin ist der Bezug zum Risikomanagement. Wir arbeiten bereits daran, die NGFS-Empfehlung in aufsichtliche Erwartungen zu überführen. Damit werden die Banken aufgefordert, klimabezogene Risiken in ihrem Risikomanagement zu berücksichtigen. Hier beschränken wir uns aber nicht auf den Klimawandel, sondern nehmen alle Nachhaltigkeitsrisiken in den Fokus. Die relevanten Nachhaltigkeitsrisiken zu identifizieren, zu beurteilen, zu steuern und zu überwachen, ergibt sich für Kreditinstitute bereits aus § 25a des Kreditwesengesetzes (KWG) in Verbindung mit unseren Mindestanforderungen an das Risikomanagement der Banken, den MaRisk. Wir halten es dennoch für sinnvoll, mit unseren aufsichtlichen Erwartungen noch einmal explizit auf das Risiko hinzuweisen.“
In der gleichen Rede weist Raimund Röseler auch darauf hin, dass die Aufsicht den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken auch im Rahmen ihrer laufenden Aufsicht prüfen wird. Dies wird aus dem neuen Prüfungsmandat für die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess der Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA abgeleitet, welches in der fünften europäischen Eigenkapitalrichtlinie (CRD V) enthalten ist.
Merkblatt als Konkretisierung zu den MaRisk
Das Merkblatt soll Instituten als Orientierung im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken und als Kompendium von Good Practices zum Thema dienen. Die Aufsicht sieht das Merkblatt als sinnvolle Ergänzung zu den Mindestanforderungen an das Risikomanagement und betont, dass Nachhaltigkeitsrisiken bereits unter den MaRisk als relevante Risiken zu berücksichtigen sind. Insoweit darf man das Merkblatt als eine Art Konkretisierung der MaRisk in Bezug auf Nachhaltigkeitsrisiken verstehen. Eine unmittelbare Bindungswirkung entfaltet das Merkblatt damit zwar nicht, eine Diskussion hierzu wird sich jedoch gelichwohl erübrigen, da die Aufsicht mit dem Merkblatt ihre Ansicht und Erwartungshaltung definiert und insoweit davon ausgeht, dass diese Erwartungshaltung auch angemessen im Rahmen des Risikomanagements von Instituten berücksichtigt wird.
(Hinweis: Die nachfolgenden Ausführungen wurden aus dem Merkblatt der BaFin in teilweiser gekürzter Form unverändert übernommen.)
Nachhaltigkeit im Sinne von Environmental, Social and Governance
Das Merkblatt bestimmt den Begriff Nachhaltigkeit im Sinne von ESG (Environmental, Social and Governance – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) und geht auf physische und transitorische Risiken ein, die als Teil der bestehenden Risikoarten zunehmende Wirkung entfalten können. Nachhaltigkeitsrisiken können auch erhebliche Reputationsrisiken bergen. Unter physischen Risiken sind etwa Risiken aus Extremwettereignissen (Überflutungen, Hagel, etc.) zu verstehen. Transitorische Risiken können im Zeitablauf entstehen, wenn etwa absehbar ist, dass sich bestimmte Rahmenbedingungen, wie etwa ein Wegfall der Kohleförderung oder der Ausstieg aus der Atomenergie, abzeichnen und entsprechende Auswirkungen auf die Kunden bzw. Kreditnehmer einer Bank haben.
Bestandteile des Merkblatts – Nachhaltigkeit in allen Elementen des Risikomanagements
Die BaFin erwartet, dass die Unternehmen eine Auseinandersetzung mit den entsprechenden Risiken sicherstellen. Im Detail geht das Merkblatt zunächst auf Strategien, verantwortliche Unternehmensführung und Geschäftsorganisation ein. Die BaFin erachtet eine strategische Befassung mit Nachhaltigkeitsrisiken und eine entsprechende Umsetzung in den von ihr beaufsichtigten Unternehmen für erforderlich. Dabei ist die Gesamtverantwortung der Geschäftsleitung für die Geschäfts- und Risikostrategie und deren Kommunikation und Umsetzung im Unternehmen sowie eine den Risiken angemessene Geschäftsorganisation mit Verantwortlichkeiten, Prozessen, Ressourcen und Funktionen herauszustellen.
Das Risikomanagement bildet den zentralen Punkt des Merkblattes. Es geht auf die Risikoidentifikations-, -steuerungs- und -controllingprozesse sowie die „klassischen“ Methoden und Verfahren unter besonderer Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken ein.
Auch Versicherungen und Kapitalanlagegesellschaften im Anwendungsbereich
Auch werden in diesem Abschnitt Besonderheiten für nach KWG, VAG und KAGB beaufsichtigte Unternehmen mit Blick auf die Einbindung von Nachhaltigkeitsrisiken in das Risikomanagement herausgestellt.
Stresstesting und Auslagerungen
Im Weiteren befasst sich das Merkblatt mit Fragestellungen zu Stresstests einschließlich Szenarioanalysen sowie mit Auslagerungssachverhalten.
Definition Nachhaltigkeitsrisiken
Nachhaltigkeitsrisiken im Sinne des Merkblattes sind Ereignisse oder Bedingungen aus den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung, deren Eintreten tatsächlich oder potenziell erhebliche negative Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie auf die Reputation eines Unternehmens haben können; dies schließt klimabezogene Risiken in Form von physischen Risiken und Transitionsrisiken ein.
Aus Sicht der BaFin sind daher alle ESG-Risiken (Environmental, Social and Governance – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) zu berücksichtigen, die sich letztlich aus den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen ableiten lassen; „ESG“ steht dabei für (nicht abschließende Aufzählung):
Environmental / Umwelt
- Klimaschutz;
- Anpassung an den Klimawandel;
- Schutz der biologischen Vielfalt;
- Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen;
- Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling;
- Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung;
- Schutz gesunder Ökosysteme;
- Nachhaltige Landnutzung.
Social / Soziales
- Einhaltung anerkannter arbeitsrechtlicher Standards (keine Kinder- und
- Zwangsarbeit, keine Diskriminierung);
- Einhaltung der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes;
- Angemessene Entlohnung, faire Bedingungen am Arbeitsplatz, Diversität sowie
- Aus- und Weiterbildungschancen;
- Gewerkschafts- und Versammlungsfreiheit;
- Gewährleistung einer ausreichenden Produktsicherheit, einschließlich
Gesundheitsschutz;
- Gleiche Anforderungen an Unternehmen in der Lieferkette;
- Inklusive Projekte bzw. Rücksichtnahme auf die Belange von Gemeinden und
- sozialen Minderheiten;
- Steuerehrlichkeit.
Governance / Unternehmensführung
- Maßnahmen zur Verhinderung von Korruption;
- Nachhaltigkeitsmanagement durch Vorstand und Aufsichtsrat;
- Vorstandsvergütung in Abhängigkeit von Nachhaltigkeit;
- Ermöglichung von Whistle Blowing;
- Gewährleistung von Arbeitnehmerrechten;
- Gewährleistung des Datenschutzes;
- Offenlegung von Informationen.
Übersetzung in bekannte Risikoarten
Die BaFin sieht Nachhaltigkeitsrisiken als Teilaspekt der bekannten Risikoarten. Eine separate Risikoart „Nachhaltigkeitsrisiken“ wird abgelehnt, da Nachhaltigkeitsrisiken auf alle bekannten Risikoarten einwirken und eine Abgrenzung kaum möglich wäre. Nachfolgend einige Beispiele:
Kreditrisiko/Adressenausfallrisiko:
Ein Kreditinstitut vergibt einen Kredit an einen Zulieferer von Teilen für Verbrennungsmotoren. Eine (ggf. politisch geförderte) Ablösung des Verbrennungsmotors durch andere Technologien macht das Geschäftsmodell des Kreditnehmers obsolet.
Liquiditätsrisiko:
Nach einer katastrophalen Überflutung ziehen zehntausende Kunden Geld von ihren Konten bei einem regional tätigen Kreditinstitut ab, um damit die Schadenbeseitigung zu finanzieren. Das Kreditinstitut muss daraufhin in hohem Maße Aktiva veräußern.
Strategisches Risiko:
Ein auf die Finanzierung von Kohlebergbau spezialisiertes Kreditinstitut verliert seine Geschäftsbasis.
Überprüfung der Geschäfts- und Risikostrategie
Beaufsichtigte Unternehmen sollten im Hinblick auf den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken (und ggf. Chancen) entweder eine eigenständige Strategie entwickeln oder die bestehenden Strategien entsprechend ergänzen. Beide Vorgehensweisen haben Vor- und Nachteile: Eine eigenständige Strategie ist ein klares Zeichen nach innen und außen und ermöglicht eine konzentrierte, übersichtlich beschriebene Herangehensweise. Sie birgt aber auch die Gefahr, dass es zu Überschneidungen oder, obwohl aufsichtlich nicht zulässig, Widersprüchen mit existierenden Strategien kommt. Eine Integration in bestehende Strategien vermeidet solche Überschneidungen und Widersprüche, wird aber eventuell den Charakteristika von Nachhaltigkeitsrisiken nicht ausreichend gerecht.
Risikomanagement
Aufgaben, Verantwortlichkeiten sowie der zeitliche Rahmen für die Identifikation, Beurteilung, Steuerung, Überwachung und Berichterstattung von Nachhaltigkeitsrisiken sollten im Rahmen bekannter Risikoarten innerhalb des Risikomanagementsystems klar definiert werden; ein spezieller „Nachhaltigkeits-Experte“ ist hierfür unter Beachtung des Proportionalitätsprinzips nicht notwendigerweise einzustellen. Die involvierten Mitarbeiter sollten in jedem Fall über ausreichende Kenntnisse verfügen. In regelmäßigen Abständen sollten die Unternehmen die Methoden und Verfahren zur Identifizierung, Bewertung, Steuerung und Überwachung der Nachhaltigkeitsrisiken überprüfen.
Kreditprozesse
Nachhaltigkeitsrisiken sollen auch in die Prozesse für die Kreditbearbeitung (Kreditgewährung und Kreditweiterbearbeitung) einbezogen werden. Für die Bonitätseinschätzung müssen sich die Institute ein eigenes Urteil über die Adressenausfallrisiken bilden und auch zukünftige Risiken einbeziehen, zu denen die Nachhaltigkeitsrisiken (in den oben beschriebenen Ausprägungen) zählen. Die für das Adressenausfallrisiko eines Kreditengagements bedeutsamen Aspekte sind herauszuarbeiten und zu beurteilen, wobei die Intensität dieser Tätigkeiten vom Risikogehalt des Engagements abhängt (siehe auch 6.3.3). Branchen- und ggf. Länderrisiken, die durch Nachhaltigkeitsrisiken noch gesteigert werden können, sind in angemessener Weise zu berücksichtigen. Kritische Punkte eines Engagements sind hervorzuheben und ggf. unter der Annahme verschiedener Szenarien darzustellen. Die Verwendung externer Bonitätseinschätzungen enthebt das Institut nicht von seiner Verpflichtung, sich ein Urteil über das Adressenausfallrisiko zu bilden und dabei eigene Erkenntnisse und Informationen in die Kreditentscheidung einfließen zu lassen.
Unternehmensindividuelle Stresstests
Beaufsichtigte Unternehmen sollten prüfen, ob die bestehenden unternehmensindividuellen Stresstests die wesentlichen Nachhaltigkeitsrisiken in geeigneter Weise abbilden, oder ob hierfür neue bzw. modifizierte unternehmensindividuelle Stresstests zu erstellen sind.
Nachhaltigkeit bei Auslagerungen
Sofern relevant, sollte der Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken auch in der Auslagerungsrichtlinie geregelt werden. Leitfragen: Welche Geschäftsfelder/Prozesse/Aufgaben unterliegen (wesentlichen) Nachhaltigkeitsrisiken? Welche Regelungen sollten diesbezüglich standardmäßig mit Dienstleistern getroffen werden? Sind die Berichtspflichten der Dienstleister ausreichend, um externen Nachhaltigkeitsberichterstattungspflichten zu genügen?
In die Risikoanalyse zur Identifikation von wesentlichen28 Auslagerungen und der mit einer Auslagerung verbundenen Risiken ist auch der Aspekt von Nachhaltigkeitsrisiken mit einzubeziehen. Beispiele: Die Auslagerung der Identifikation von Nachhaltigkeitsrisiken könnte wesentlich sein, wenn diese wesentlich für das auslagernde Unternehmen sind. Die Auslagerung von Aktivitäten an einen Dienstleister, der regelmäßig gegen arbeitsrechtliche Standards verstößt, könnte ein Reputationsrisiko darstellen.
Rating
Klassische Kreditratings berücksichtigen gemäß der EU-Ratingverordnung nur die für die Beurteilung der Bonität eines Unternehmens bzw. des Kreditrisikos eines Finanzinstruments notwendigen Faktoren. Dies können durchaus auch ESG-Faktoren sein. Sofern ESG-Faktoren auf die Bonität eines Unternehmens bzw. das Kreditrisiko eines Finanzinstruments jedoch im Einzelfall keinen Einfluss haben, sollten sie im Rahmen des Kreditratings auch keine Berücksichtigung finden. Anderenfalls besteht das Risiko, die Aussagekraft eines Ratings über die Ausfallwahrscheinlichkeit zu verfälschen.
Unser Angebot an Sie:
Wir nehmen eine strukturierte Einwertung der Elemente Ihres Risikomanagements vor und zeigen zunächst einmal den Handlungsbedarf auf. Dabei starten wir mit einer Identifikation und Bewertung der für Ihr Haus relevanten (physischen und transitorischen) Nachhaltigkeitsrisiken. Anschließend erarbeiten wir mit Ihnen gemeinsam konkrete Lösungsvorschläge für Ihr Geschäftsmodell und Ihr Kundenportfolio, wie die Nachhaltigkeitsrisiken in Ihren Prozessen und in Ihrer schriftlich fixierten Ordnung angemessen berücksichtigt werden sollten. Wir analysieren dabei insbesondere Ihre:
- Geschäfts- und Riskostrategie
- Risikotragfähigkeitsberechung (Risikoinventur, Ableitung Risikodeckungsmasse, Bewertung der Risiken, Reporting, etc.)
- Kreditprozesse (Fokus auf der Kreditwürdigkeitsprüfung)
- Auslagerungsmanagement
Die Ergebnisse und Lösungsvorschläge dokumentieren wir für Sie strukturiert und nachvollziehbar und stellen Ihnen die Ergebnisse anhand eines Workshops vor.
Sprechen Sie uns an!
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Das Merkblatt der BaFin zum Umgang mit Nachhaltigeitsrisiken finden Sie hier.