16.04.2019
Geschäftsmodelle & Nachhaltigkeit
BaFin veröffentlicht Konsultation 06/2019 zu Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch
Als Reaktion auf die Überarbeitung der „Leitlinien zur Steuerung des Zinsänderungsrisikos bei Geschäften des Anlagebuchs“ (EBA/GL/2018/02 - IRRBB) durch die EBA, veröffentlicht die BaFin, mit der Konsultation 06/2019, den Entwurf zur Neufassung des Rundschreibens 9/2018 (BA) für Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch. Mit Wirkung zum 30. Juni 2019 sind die IRRBB EBA Leitlinien für alle Kreditinstitute im Sinne von § 1 Absatz 1 KWG, die nicht explizit von der Anwendung ausgenommen sind, zu beachten.
Wesentliche Änderungen zum bisher gültigen Stand ergeben sich insbesondere durch sechs zusätzliche Zinsschockszenarien im Rahmen des „Aufsichtlichen Ausreißertests“ und durch geänderte Vorgaben bei der Verrechnung von Fremdwährungspositionen.
Aufsichtliche Zinsszenarien
Die Berechnung zur Auswirkung einer plötzlichen Zinsänderung basiert beim Standardtest, identisch für alle Währungen, wie bisher, auf einer Parallelverschiebungen von jeweils 200 Basispunkten nach oben bzw. nach unten. Bei den neuen zusätzlichen Berechnungen für den Frühwarnindikator, den Aufsichtlicher Ausreißertest, werden hingegen folgende differenzierte Szenarioarten vorgegeben:
- Parallelverschiebung aufwärts
- Parallelverschiebung abwärts
- Versteilung (durch Abwärtsschock kurz und Aufwärtsschock lang)
- Verflachung (durch Aufwärtsschock kurz und Abwärtsschock lang)
- Aufwärtsschock in der kurzen Frist
- Abwärtsschock in der kurzen Frist
In Abhängigkeit von der Währung, fallen die simulierten Zinsänderungen in den Szenarien unterschiedlich hoch aus. Für auf Euro lautende zinssensitive Instrumente gelten die Anpassungen:1)
- parallel 200bp
- kurze Frist 250bp
- lange Frist 100 bp
Die Effekte der kurz- und langfristigen Schocks (c – f) fließen dabei mit zu-, bzw. abnehmender Wirkung in die jeweiligen Laufzeitbänder ein (siehe Abbildung 1).2)
Abbildung 1: Anzusetzender Zinssatz bei einem Zinsschock der ein Abflachen der Zinskurve simuliert (Szenario d).
Zur darauffolgenden Ermittlung der Änderung des Zinsbuchbarwerts, ist für die Diskontierung eine risikofreie Zinsstrukturkurve je Währung heranzuziehen. Sobald der Zinsbuchbarwert um mehr als 20% der Eigenmittel (bei den Standardtests) bzw. um mehr als 15% des Kernkapitals (bei den Frühwarnindikatoren) absinkt, gilt ein Institut als „Institut mit erhöhtem Zinsänderungsrisiko“. Neben der unverzüglichen Meldung an die Aufsichtsbehörden hat dies auch eine Überprüfung der Kapitalfestsetzung im aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP) und ggf. eine Anpassung dieser, zur Konsequenz.
Unabhängig von der Höhe der Zinsänderungskoeffizienten erwartet die BaFin, wie auch bereits aus den EBA Leitlinien ersichtlich wird, eine mindestens vierteljährliche Berechnung sowie eine jährliche Meldung der Ergebnisse.
Zinsuntergrenze
In Zusammenhang mit den Zinsschockszenarien wird zudem eine laufzeitabhängige „Post-Schock-Zinsuntergrenze“ berücksichtigt, welche derzeit für Positionen mit sofortiger Fälligkeit bei -100 bp liegt und jährlich um 5 bp ansteigt.3) An Relevanz gewinnt die Zinsuntergrenze in der Praxis vor allem bei negativen Parallelverschiebungen und bei negativen Schocks in der kurzen Frist (Szenarien b, c und f). Die Konsequenz im Niedrigzinsumfeld ist, dass für weite Abschnitte die Untergrenze zu Tragen kommt.
Eine Besonderheit ergibt sich, sofern bereits die am Markt beobachteten Zinssätze unterhalb der Zinsuntergrenze liegen. In diesem Fall sind die Markzinsen für die jeweiligen Laufzeiten heranzuziehen. In der beispielhaften Darstellung in Abbildung 2 ist das für Laufzeiten kleiner als 1 Jahr der Fall. Im weiteren Verlauf ist dann zunächst die Zinsuntergrenze und ab etwa einer Laufzeit von 6 Jahren der Post-Schock Zinssatz anzusetzen.
Abbildung 2: Anzusetzender Zinssatz bei -200bp Zinsschock, für ein Ausgangsszenario, welches in der kurzen Frist teilweise unterhalb der interpolierten Zinsuntergrenze liegt.
Behandlung von Fremdwährungspositionen
Sofern sich das Zinsbuch aus Positionen zusammensetzt, die auf unterschiedliche Währungen lauten ist weiterhin zu beachten, dass diese erst ab einem Anteil am Gesamtvolumen der finanziellen Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten von 5% berücksichtigt werden müssen. Unabhängig von dieser 5% Grenze ist jedoch sicherzustellen, dass die Summe der in die Berechnung einbezogenen Positionen mindestens 90% beträgt.4) Sollte diese Grenze nicht erreicht werden, ist schrittweise die jeweils nächstgrößere Fremdwährungsposition mit einzubeziehen.
Die für das jeweilige Zinsschockszenario ermittelten Barwerte werden anschließend in Euro umgerechnet und aggregiert. Dabei dürfen nunmehr positive Effekte berücksichtigt und zu 50% angerechnet werden, während negative Barwertänderungen direkt aufsummiert werden. Die aggregierten Ergebnisse unterliegen auch in diesem Fall der eingangs beschriebenen Meldeschwelle, weshalb deren Einhaltung zwingend zu prüfen ist.
Fazit
Bei der Umsetzung der IRRBB-Leitlinien, ist neben den Ausreißertests als Frühwarnindikator, vor allem die gesonderte Behandlung von unterschiedlichen Währungen eine Neuerung. In Kombination mit der Post-Schock-Zinsuntergrenze und weiteren, hier nicht explizit diskutierten Punkten, die sich ebenfalls in der BaFin Konsultation wiederfinden und Bestandteil der EBA Leitlinien sind, gilt es für Institute, Handlungsbedarfe zeitnah zu identifizieren und ggf. zu bearbeiten.5)
Nennenswerte Erleichterungen für kleinere Institute (SREP-Kategorien 3 und 4) wird es nach aktuellem Stand hauptsächlich in Form einer sechsmonatigen Übergangsfrist bezüglich des Frühwarnindikators und des Credit-Spread-Risikos geben.
Quellen:
BaFin: Konsultation 06/2019 - Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch
Fußnoten:
1) Die Höhe der Zinsschocks für weitere Währungen kann der BaFin Konsultation 06/2019 entnommen werden. In den EBA Leitlinien (EBA/GL/2018/02) findet sich darüber hinaus auch die Vorgabe zur Kalibrierung von Zinsschockgrößen nicht explizit aufgelisteter Währungen.
2) Die Berechnungsgrundlagen können Annex III der EBA Leitlinien zum IRRBB (EBA/GL/2018/02) entnommen werden.
3) Die Aufsichtsbehörden behalten sich vor, diese Grenze an die allgemeine Zinsentwicklung anzupassen.
4) Der Anteil an den finanziellen Vermögenswerten gilt jeweils exklusive Sachanlagen.
5) Dazu zählen u.a. der Einbezug von notleidenden Forderungen (NPE) sowie Änderungen bei der Verhaltensmodellierung bei Positionen mit unbestimmter vertraglicher Zinsbindung (NMD).